Hallo zusammen. Ich möchte, wie an anderer Stelle versprochen, nun hier meine Erfahrungen mit diesen beiden Operationen festhalten. Durchgeführt wurden sie diesen Mittwoch, 17.01.2024 bei Dr. Tarfusser in Meran, nachdem ich im Vorfeld in Andreas' Threads zu dem Thema (auch hier im Forum) bereits einige Eindrücke sammeln und Antworten erhalten konnte. Haupt-Grund für die OP ist die weiterhin mangelnde Verfügbarkeit von Vagantin, dessen nicht-Lieferfähigkeit sich https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/markt/vagantin-fruehestens-im-september-2024-verfuegbar mittlerweile wohl bis September ziehen wird. Zwar war auch das nur eine maximal ausreichende Lösung, aber zumindest hatte mir Vagantin bis August letztes Jahr ein halbwegs akzeptables Leben ermöglicht. Hier noch eine kurze Zusammenfassung meiner bisherigen Leidensgeschichte:
Gemerkt, dass Alkohol eine beruhigende Wirkung hat und je mehr ich trinke, desto weniger Symptome. Dadurch zwischen 14 und 18 sehr viel Konsum.
- Salbei Tee und Tabletten: Keine Wirkung
- Deospray mit Aluminium: Keine Wirkung
- Iontophorese an Händen: Eher Verschlechterung der Symptome, aber nie langfristig versucht, da nur ein Areal von vielen die betroffen sind
- Sormodren: Wirkung da, aber extrem heftige Nebenwirkungen (Benommenheit, Schwindel, Zombiemodus)
- Beta-Blocker: Keine Wirkung
- Biperiden (zur Behandlung von Ruhetremor): Keine besondere Wirkung, weder gegen Tremor noch HH
- Vagantin: Starke aber erträgliche Nebenwirkungen. Leider sehr unzuverlässige Wirkung, bis viele Jahre später die Erkenntnis mit nüchternem Magen
- aufgehört zu Rauchen, abgenommen, 98% aufgehört zu trinken, Sport, Yoga zuhause, alles ohne spürbare Verbesserung der HH
- Untersuchung Schilddrüsenwerte, Ultraschall Schilddrüse, Blutwerte alles i.O.
- Antihydral: Albtraum wegen kaputter Hände und dann mehr kompensatorisches Schwitzen, das nicht mehr weggeht
- 3,5 Jahre Psychologische Verhaltenstherapie
- Antidepressiva (MAO-Hemmer glaube ich): Eher gegenteilige Wirkung oder keine, schwer zu sagen
- seit etwa einem Jahr Deoroller mit Aluminiumchlorid (Perspirex Strong), der tatsächlich sehr gut Achselschweiß eliminiert hat. Mittlerweile vorsichtig auch Anwendung an den Füßen, in der Leiste und Gesäß. An den Händen leider kein wirklicher Effekt
- Saugkürretage und Botox kamen nie in Frage da zu lokal und mit fragwürdigem Erfolg
Stand aktuell (eigentlich):
Vagantin: - Mundtrockenheit generell (-> Mundgeruch, Zahngesundheit etc.). Bei mündlicher Prüfung kaum reden können // Mittagspause ohne Getränk fast an Brötchen erstickt weil kein Speichel
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Ich hatte mich in der Vergangenheit bereits über die OP informiert als Vagantin das erste Mal nicht lieferbar war, jedoch davon abgesehen, da ich doch sehr viel Negatives darüber las und die Lieferfähigkeit wieder hergestellt wurde. Letzten November habe ich dann Andreas' Threads hier im Forum gefunden und darüber auch die Website von Dr. Tarfusser, in der deutlich detaillierter und differenzierter auf diese beiden Eingriffe eingegangen wird. Genauere Ausführungen dazu können in den erwähnten Threads gelesen werden, oder gleich auf der erwähnten Seite: https://www.chirit.com/de/hyperhidrose--uebermassiges-schwitzen
Im Vorfeld gestaltete sich die Kontaktaufnahme durchwachsen. Auf das Webformular bekam ich Antwort, allerdings sollte ich nachfolgend in der Regel die Erfahrung machen, dass Dr. Tarfusser per Telefon relativ gut, per Mail jedoch sehr schlecht erreichbar ist. Es handelt sich bei Dr. Tarfusser um einen außerordentlich ruhigen, angenehmen Menschen, dessen Art es einem deutlich leichter macht, einen so schwerwiegenden, ggf. irreversiblen Schritt auf sich zu nehmen. Über viele Telefonate hinweg wurde alles besprochen und koordiniert und so fand sich der Termin, ein paar Wochen später, am 17.01.
Für die Anfahrt empfiehlt sich vermutlich eher das Auto oder der Zug, da der nächste Flughafen mit Innsbruck oder Verona noch ein gutes Stück entfernt liegt und so reiste auch ich mit dem Zug an (ca. 10h Fahrt). Für den Aufenthalt vor (und ggf. nach) der OP kann ich nur das Hotel Kolping empfehlen, das wirklich um die Ecke der Klinik liegt. Hier buchte ich im Vorfeld ein Einzelzimmer und spontan am Tag nach der OP noch eine weitere Übernachtung.
Die Eingriffe verliefen bei mir nicht gänzlich ohne Komplikationen (ELS rechts war etwas schwieriger, dadurch deutlich stärkere Schmerzen und Bewegungseinschränkungen anschließend) und die Erholung war schwieriger, da ich keine NSAR wie Ibuprofen oder Diclofenac nehmen kann und entsprechend nicht von deren anti-entzündlicher Wirkung profitieren konnte. Zudem hatte ich wohl überdurchschnittlich viel Restgas im Körper, sodass atmen und bewegen danach deutlich schmerzhafter und einschränkender war als erwartet. Die OP war auch erst am frühen Nachmittag, sodass mir nicht so viel Zeit blieb, um für die 10-stündige Rückreise per Zug wieder fit zu werden. All diese Faktoren trugen dazu bei, dass ich mich entschied noch eine weitere Nacht in Meran zu bleiben und rückblickend war das definitiv die richtige Entscheidung und ich würde es jedem empfehlen, von Beginn an so zu planen. Für die Rückfahrt bekam ich Kodein+Paracetamol und Novalgin, was mich einigermaßen durch die Zeit brachte, aber gepaart mit den Folgen der Narkose, dem wirklich eisigen Winterwetter, waren die Schmerzen teilweise schon grenzwertig. Aber ich kam heil wieder zuhause an.
Ich habe mir vorgenommen, insbesondere in den ersten Tagen und Wochen nach der OP, keine der Veränderungen zu überbewerten, da es doch ein heftiger Eingriff in die Vorgänge des menschlichen Körpers ist und dieser sich erst einmal darauf einstellen und damit klar kommen muss. Stand jetzt, Sonntag 21.01., bin ich allerdings immer noch sehr mitgenommen, allerdings habe ich auch am gestrigen Abend das letzte Mal Schmerzmittel genommen und muss sagen, dass es mir jeden Tag besser geht. Was den Erfolg der OPs betrifft, bin ich vorsichtig optimistisch. Am krassesten war wirklich der Kontrast von unmittelbar vor der OP, als ich im sehr kühlen OP-Saal lag, mit eiskalten, klatschnassen Händen und Füßen unter Wolldecke und auf Heizdecke liegend und dann nach der OP, als ich mit warmen, trockenen Händen und Füßen aufgewacht bin. Seither hatte ich einige wirklich besondere, emotionale Momente, in denen ich einfach nicht fassen konnte, dass ich jetzt mit knapp 40, das erste Mal in meinem erwachsenen-Leben ein paar Socken anziehen kann, das einfach den Fuß hinauf gleitet, ohne gekrempelt gezerrt werden zu müssen. Und auch nach Stunden, selbst nach 11h in gefütterten Leder-Boots und Stress ohne Ende, kann ich die Schuhe ausziehen und die Socken kleben nicht am Fuß, durchsetzt von Schweißflecken. Oder in einer Stress-Situation im Zug einfach cool zu bleiben und mit trockenen Händen mein Smartphone bedienen zu können. Ohne Handschuhe am windigen Bahnhof stehen und keine eiskalten Hände zu haben, denen der Wind noch mehr zusetzt.
Auf der anderen Seite habe ich aber ähnliche Gedanken wie sie auch von Andreas' in seinem Thread beschrieben wurden, die mich umtreiben, hier seine Worte: "Die ersten Wochen danach waren eher schwierig. Ich war emotional sehr aufgewühlt von der OP, dazu die Schmerzen rund um die operierten Stellen und die Vollnarkose verwirrte mich auch noch einige Tage. Ich schlief schlecht und hatte etwas Mühe beim Atmen. Dazu dauernd die Frage, ob ich nicht einen Schritt zu weit gegangen war. Das hatte ich schon kurz nach der ersten OP, aber jetzt war es noch stärker." Das kann ich 1:1 nachempfinden und ich versuche, mich nicht beunruhigen zu lassen. Zudem habe ich gestern und heute stellenweise wieder an Händen und Füßen geschwitzt, wenn auch lange nicht vergleichbar mit vor der OP, aber doch deutlich mehr als am Donnerstag z. B. - aber ich sitze auch nur zuhause und habe Zeit ohne Ende, mir Gedanken zu machen. Kopf-F***erei wie ich es immer nenne. Dr. Tarfusser sagte mir auch, dass sich die Nerven zum Teil nochmal entladen und ein Nachschwitzen hier und da normal sei. Zum Teil fühlt es sich einfach auch extrem dissonant an. Ich weiß ganz genau, wie mein Körper auf eine bestimmte Sache (meine Hände sind ineinander gefaltet) reagieren möchte, normalerweise reagieren würde. Es ist eine extreme, psychosomatische Reaktion die über 25 Jahre entwickelt und verstärkt wurde. Und jetzt kann er es nicht mehr, aber die Erwartungshaltung ist dennoch weiterhin da. Damit habe ich auch gerechnet und ich gehe davon aus, dass es eine ganze Weile dauern wird, bis sich das geändert hat, auch und gerade in sozialen Situationen. Und der Körper ist ja immer noch der selbe, das Gehirn, das Herz, das ganze Drumherum. Es sind "nur" ein paar Nerven/Nervenbündel abgetrennt bzw. zerstört wurden die gewisse Vorgänge verhindern und diese Inkongruenz ist nicht einfach.
Aber wie gesagt versuche ich alles in diesen ersten Wochen nicht über zu bewerten, zumal ich wirklich noch weit weg von 100% erholt bin, sowohl von der OP selbst, den insgesamt 10 Einschnitten (2x klein unter jeder Achsel, 2x klein und 1x groß in der Flanke), als auch den Nachwirkungen der im Körper verbliebenen Gase im Bauchraum und um die Lunge herum. Schlaf ist zwar besser, aber durch die gerade erwähnten Faktoren immer noch ziemlich beeinträchtigt und auch die zwei Fahrten und der ganze damit verbundene Stress stecken mir sicher noch in den Knochen.
Ich werde hier regelmäßig updaten, für mich und auch andere. Ihr könnt gerne Fragen stellen und ich werde so gut es geht versuchen, diese zu beantworten.
Achja, die Kosten. Die OP selbst belief sich auf insgesamt 6000€, Reisen, Unterkunft und Verpflegung waren nochmal rund 470€, allerdings bin ich hier durch die Fahrt im Januar und generell recht sparsames Vorgehen vermutlich eher günstig weggekommen. Für meinen Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse rechne ich mir keine hohen Chancen ein, daher habe ich von Beginn an damit kalkuliert, das alles selbst bezahlen zu müssen. Wenn man aber die zusätzlichen Kosten für Medikamente, Kleidung und andere Dinge entgegen stellt (mal von dem Mehr an Lebensqualität, das mit dem Eingriff einher gehen soll ganz abgesehen), sollte das einen nicht unbedingt abschrecken.