Ich erlaube mir, ein neues Thema zu eröffnen. Es gibt nämlich nur sehr wenige Erfahrungsberichte zur ELS (quasi die ETS für die Füsse). Ich war Mitte April 2023 in Meran für diese OP, es ist mittlerweile also über ein halbes Jahr her. So lange wollte ich zuwarten, um nicht einen weiteren überstürzten und unreflektierten Erfahrungsbericht abzuliefern (das Internet ist ja voll davon).
Kurz zu meiner HH: Seit ich denken kann an Händen und Füssen, und in der Pubertät kamen auch die Achseln und der Schritt dazu. Ein ETS-Chirurge (bei dem ich mich nicht hatte operieren lassen), hatte meinen Handschweiss mal als «beeindruckend» bezeichnet. Vor den OP’s hatte ich so ziemlich alles ausprobiert, was potenziell gegen Hyperhidrose wirken könnte. Im Sommer 2021 habe ich mich dann einer ersten ETS unterzogen, bei Dr. Tarfusser im Südtirol (hier meine Berichte: https://www.hyperhidrosehilfe.de/forum/103-selbsthilfeforen/118-hyperhidrose-schwitzen/123-therapie-aerztliche-anwendungen/225386-ets-neu-bewertet)
Ein kleiner Exkurs dazu: Aus Angst vor starkem Kompensationsschwitzen (KS) liess ich eine Art light-Version durchführen (eine Einzelklammer beidseits, Höhe TH3). Ich war schon sehr zufrieden mit dem Resultat, aber die Hände, v.a. die rechte Hand, war immer mal wieder leicht feucht. Nichts im Vergleich zu vorher und Dr. Tarfusser hatte mir von Anfang an gesagt, dass diese Einzelklammern etwas mehr Restschweiss zulassen als ein Schnitt (damit die ETS zumindest für einige Monate reversibel ist, kappt er bei der Einzelklammer «die Autobahn», lässt aber «eine Nebenstrasse» offen am Nerv). Er führt diese Version weniger aus medizinischen Gründen durch – ein Schnitt führt laut ihm nicht zu mehr KS –, sondern eher für die Psyche von Patienten, die wie ich starke Angst vor übermässigem KS haben.
Soweit so gut. Als ich letzten Frühling ein zweites Mal nach Meran fuhr für die Fussschweiss-OP, entschied ich mich, bei dieser Gelegenheit den Handschweiss-Nerv ganz durchtrennen zu lassen, auch um einem potenziellen Rückfall vorzubeugen, dessen Risiko bei Einzelklammern höher ist. Es war dann also eine kombinierte OP 2023: Einerseits ETS (kleine Schnitte an den Achseln), andererseits ELS (kleine Schnitte seitlich am Bauch). Fürs Technische die Seite von Dr. Tarfusser: https://www.chirit.com/de/kombinierte-thorakale-und-lumbale-sympathektomie-bei-hyperhidrose
Auch meine 2. OP verlief ohne Komplikationen. Ich erwachte mit trockenen Füssen und Händen. Die ersten Wochen danach waren eher schwierig. Ich war emotional sehr aufgewühlt von der OP, dazu die Schmerzen rund um die operierten Stellen und die Vollnarkose verwirrte mich auch noch einige Tage. Ich schlief schlecht und hatte etwas Mühe beim Atmen. Dazu dauernd die Frage, ob ich nicht einen Schritt zu weit gegangen war. Das hatte ich schon kurz nach der ersten OP, aber jetzt war es noch stärker. Vor der ersten OP war der Leidensdruck so gross gewesen, dass solche Fragen in den Hintergrund gerückt waren. Diesmal war es anders; ich hatte stark unter den schwitzenden, kalten Füssen gelitten, aber sie standen mir im Alltag nicht so krass im Weg wie die schwitzenden Hände.
Ich hatte nach dieser zweiten OP ehrlich gesagt eine Höllenangst, etwas von meiner Sensibilität verloren zu haben. Das Wissen, das man sich gerade zentrale Nerven hat blockieren lassen, kann unheimlich sein. Hatte Angst davor, dass jetzt vieles grau und lauwarm werden würde, wo vorher alles bunt und heiss und eiskalt gewesen war (von solchen Nebenwirkungen liest man ab und an; laut Dr. Tarfusser rühren solche psychischen Folgen von einer OP zu weit oben, bei TH2). Ich war in der ersten Zeit nach der OP über-achtsam (was sicher normal ist) und versuchte jede innere Regung zu deuten.
Aber die Farben kamen sehr schnell zurück und auch meine ganze Sensibilität. Die Angst selbst war u.a. auch ein Ausdruck dieser Sensibilität. Sieben Monate später kann ich sagen, dass ich viele psychische Nebenwirkungen habe, und allesamt sind positiv. Es sind die indirekten Nebenwirkungen von trockenen Händen und Füssen (bzw. das Verschwinden der Nebenwirkungen, die nasse Hände und Füsse auslösen). Ansonsten verspüre ich keine Veränderungen (auch Blutdruck, Herzschlag etc. sind, soviel ich weiss, gleich geblieben).
Kleine Auflistung von Wirkung und Nebenwirkung:
Wirkung: Trockene Hände. Bei Hitze, Sport und starkem Stress bleibt eine Restfeuchtigkeit (was gut ist). Trockene Füsse, mit Restfeuchtigkeit. Evtl. wieder etwas stärker nach 5 Monaten, was von Dr. Tarfusser so als Möglichkeit in Aussicht gestellt worden war.
Weiter: an den Beinen schwitze ich seit der 2. OP auch weniger. Und v.a. im Schritt und am Po. Da habe ich seit der ELS eine Reduktion von ca. 70-80%, was sehr angenehm ist. Vor der zweiten OP war genau das Gegenteil meine grosse Angst gewesen: dass ich starken KS am Po entwickeln würde. Dr. Tarfusser hatte vor der OP gesagt, dass er sich an eine Patientin erinnere, die mit der ELS eine Reduktion des Po-Schwitzens gehabt hätte (dass er sonst aber wenig Erfahrungswerte dazu habe).
KS: ist mit der 2. OP eher weniger geworden (siehe auch meinen 1. ETS-Bericht). Weiterhin bei Hitze, Sport und (gleichzeitigem) Stress am Rumpf, Po und Beinen. Im Hochsommer kann es – in Kombination mit körperlicher Anstrengung – auch in Bächen runterrinnen und ziemlich arg sein. Stört mich aber viel weniger als der Handschweiss zuvor. Diesen Sommer hatte ich vielleicht 3 Tage mit unangenehmem KS. Kühltücher (cooling towels) sind weiterhin sehr hilfreich.
Ich habe den Eindruck, etwas mehr Nachtschweiss zu haben in warmen Nächten seit der 2. OP. Ansonsten keine negativen Nebenwirkungen.
Rückfall: grundsätzlich möglich. Laut Dr. Tarfusser aber kaum im Ausmass von vorher. Auch ein spätes Auftreten von krassem KS führt er auf eine unpräzise OP zurück. Bei ELS ist das KS-Risiko ohnehin kleiner, insbesondere wenn man vorher schon eine ETS hat durchführen lassen. Daher bin ich optimistisch.
Fazit: Ich bin äusserst zufrieden mit ETS und ELS. Die OP’s haben sich sehr positiv auf mein Leben ausgewirkt. Alle meine Probleme haben sie natürlich nicht gelöst. Ich bin weiterhin introvertiert und hochsensibel (zum Glück! Das sind ja nicht grundsätzlich Probleme, aber halt Herausforderungen in einer extrovertierten, rauen Welt). Und ich habe immer noch chronische Schmerzen im Nacken usw. (wenngleich weniger; die trockenen Hände und Füsse geben mir endlich die Chance, richtig daran zu arbeiten).
Beide OPs, sowohl die ETS als auch die ELS, haben einen ziemlich schlechten Ruf. Ich möchte dabei nochmals darauf hinweisen, dass schlechte Resultate laut Dr. Tarfusser v.a. auf unpräzise und ungeeignete Operationstechniken zurückzuführen sind. Man kann natürlich (mit Recht) darauf hinweisen, dass er als Chirurge einer gewissen Neutralität entbehrt. Man kann aber auch seine sehr detaillierten und nüchternen Ausführungen zu den kritischen Punkten einer ETS studieren: https://www.chirit.com/ETS/ETS.php Als Laie ist eine endgültige Beurteilung der Sachlage natürlich unmöglich und es muss jede*r für sich entscheiden, was und wem er glauben will.
Ganz wichtig zum Schluss: Auch eine intelligent durchgeführte ETS- bzw. ELS-OP bleibt ein riesiger Eingriff ins vegetative Nervensystem (auch die light-Version ist keinesfalls auf die leichte Schulter zu nehmen!). Der Leidensdruck muss hoch sein. Wenn ich nicht mit einer starken Hyperhidrose an den Händen gelebt hätte, hätte mich wahrscheinlich auch der auf Hitze und Bewegung begrenzte KS geschockt. Dr. Tarfusser sagt ausserdem, dass die Reaktion im vegetativen Nervensystem nie ganz vorhersagbar ist und auch ein erfaherener Chirurge kann nicht garantieren, dass nicht irgendwann jemand «abnorm reagiert». Der Eingriff will gut überlegt sein und die Chirurgin, der Chirurge sorgfältig ausgewählt. Eine OP ist erst als letzte Möglichkeit unter vielen in Betracht zu ziehen.